Ya Basta
- Zapatismus, Ya Basta und die Tute Bianches -
							
							Ya Basta ist nicht gleich Tute Bianches. Tute Bianches ist 
hauptsächlich 
							eine Aktionsform und ein Selbstverständnis. In ihr erkennen 
							sich verschiedene Menschen, Gruppierungen und politische 
Strömungen; 
							und prägen somit die Gestaltung der Form. 
							
							Ya Basta ist ein Netzwerk von Gruppen, die sich mit dem Aufstand 
							der Zapatistas in mehreren Städten Italiens gebildet haben 
							und eine der politischen Strömungen die zur Kristallisierung 
							der Tute Bianches beigetragen haben: "Die Zapatistas haben 
							einen wichtigen Beitrag geleistet, mit ihren Ideen Politik zu 
machen, 
							ohne um die Macht zu kämpfen. Wir versuchen diese Botschaft 
							zu übersetzen und unsere eigene Ausdrucksform zu finden." 
							
							Inspiriert wurden die AktivistInnen, als sie selbst bis in den 
chiapanekischen 
							Dschungel Südmexikos anläßlich eines interkontinentalen 
							Encuentros gereist sind. "Am Anfang haben wir vorhergehende 
							Formen der Direkten Aktion diskutiert, der Sabotage, der 
revolutionären 
							Gewalt usw. Wir haben daraus geschlossen, dass unter den 
aktuellen 
							Bedingungen der Zivilgesellschaft, der Gebrauch unserer Körper 
							als Waffe die Kräfte derjenigen Menschen freisetzen könnte, 
							die zu den alten Formen und Schemen nicht geantwortet haben. Es 
							ist eine kreative Form die andere Seite in ein Problem mit 
einzubeziehen. 
							Mit gewaltfreien Mittel der Direkten Aktion, bleibt die Sprache 
							der Gewalt auf die Seite der Polizei und des Staates. Klassische 
							Demonstrationen beeindrucken sie nicht mehr, jetzt sind wir als 
							BürgerInnen ungehorsam, sie schlagen zurück, aber wir 
							verteidigen uns. Das zieht die Aufmerksamkeit der Menschen und 
gibt 
							unserem Protest Echo". 
							
							Diese konfrontative Haltung macht Sinn: das tiefverwurzelte 
(Selbst)bild 
							des Staates als Institution, die die Interessen aller vereint, 
ist 
							im neoliberalen Zeitalter stark am bröckeln, in Italien auf 
							jeden Fall früher als in der BRD. 
							
							Ein offen in Erscheinung tretender Interessengegensatz zwischen 
							legitimen Bedürfnissen von BürgerInnen und staatlichen 
							Maßnahmen sind eine gute Voraussetzung für emanzipative 
							Prozesse, weg von der Forderung an den Staat, sozial abfedernd zu
 
							agieren oder ökonomisch steuernd zu intervenieren mit dem 
Anspruch, 
							einen Wohlstand für alle zu sichern. "Unser Beitrag ist 
							eine radikale Form der Konfrontation, die über die klassischen 
							Formen der Demonstration hinaus geht und die Möglichkeit einer 
							Massenbeteiligung mit sichereren Methoden ermöglicht. Junge 
							Leute sehen, daß der Einsatz ihres vor der Polizei geschützten 
							Körpers klare Wirkungen hat. Die Bewegung wächst. Wir 
							sind nicht eine politische Gruppe, es handelt sich um eine 
horizontale 
							Bewegung, in der jede Person auf ihre besondere Weise zur Debatte
 
							und Organisation beiträgt. Alles ist untereinander verstrickt, 
							es gibt Leute allen Alters. Alte Modelle von Avantgarden und 
Anführer 
							sind vorbei." 
							
							In einem Flugblatt schreiben sie: "Wir haben uns eine neue 
							Herausforderung gesetzt: aus dem Boden zu sprießen, um uns 
							auf diese Weise in den Aufbau der Gesellschaft einzubringen, um 
							die Selbstverwaltung und Selbstorganisation zu fördern, die 
							in den letzten Jahren aufgebaut wurde. Wir wollen uns vom 
Widerstand 
							in eine Offensive bewegen, hin in die Arena der Träume, der 
							Rechte, der Freiheit, für die Eroberung der Zukunft, die heute 
							den neuen Generationen verweigert wird". 
							
							Wie die Zapatistas erkennt Ya Basta, dass die Befreiungsprozesse 
							notwendigerweise kontinuierlich in Frage gestellt und neu 
definiert 
							werden müssen . "Wir gehen mit Fragen auf unseren Lippen", 
							sagen sie, " nicht mit Befreiungsstrategien, die als absolute 
							Wahrheit festgelegt werden. Diese Tabus, die die Bewegungen der 
							Vergangenheit charakterisiert haben, müssen hinter uns gelassen 
							werden". 
							
							 - Die Rolle der Kommunikation: Die Unsichtbaren sichtbar 
machen 
							-
							
							Die weißen Overalls werden als Symbol der Unsichtbarkeit 
getragen, 
							als Idee der 'nicht-Identität' (siehe 'sans papiers'). Die 
							Aktionsform hat eine stark symbolische Wirkung und kommunikative 
							Stärke. Für sie entspricht der Aufbau einer Gesellschaft 
							der Praxis einer sicheren Identität, aber mit offenen 
Beziehungen. 
							Sie versuchen viele anzusprechen und in den Konflikt mit 
einzubeziehen, 
							dazu wollen sie "Kommunikationsräume erobern". Organisation 
							und 'Centri Soziale' Organisisiert sind die AktivistInnen zum 
größten 
							Teil in ihren 'sozialen Zentren', besetzte und selbstverwaltete 
							Häuser oder Gelände, die in vielen Städten zu finden 
							sind. 
							
							Wie schon erwähnt, findet mensch hier Leute, die sich zu Ya 
							Basta zählen oder nur zum sozialen Zentrum oder beides. Auf 
							der Straße sind aber alle unter 'Tute Bianches' zu finden. 
							
							Der wohl größte und beeindruckendste Centro Soziale ist 
							der Leoncavallo in Mailand, der eine lange Widerstandsgeschichte 
							hat. Das Gelände ist enorm: mehrere Räume, Cafés, 
							Bühnen, eine Kantine, ein Buchladen, Büro- und Plenumsräume, 
							ein Konzertraum in dem Konzerte für 5000 Leute veranstaltet 
							werden können und noch viel mehr. Alles selbstverwaltet.
							
							Auffällig ist, das mensch nicht nur junge Leute sieht, sondern 
							alle Generationen. Eine Kontinuität in der Widerstandsgeschichte 
							ist spürbar. Eine ältere Frau, die hier als 'la madre' 
							vorgestellt wird, erzählt Geschichten: unter anderem, wie sie 
							in Argentinien war und die 'madres de la plaza de mayo 'getroffen
 
							hat. Sie sagt, daß über 1000 Gerichtsverfahren gegen 
							ca. 200 Leute aus dem Centro Soziale am laufen sind, dass sich 
aber 
							alle kollektiv den Ermittlungen entgegenstellen. "Wir machen 
							weiter", sagt sie mit einem strahlenden Lächeln, während 
							sie die Kippenfilter von einer Veranstaltung wegfegt. Sie scheint
 
							jede und jeden im Haus zu kennen.
							
							Die Centri Soziale sind alle untereinander vernetzt und 
mobilisieren 
							oft gemeinsam, wie z.B. nach Prag. In jedem Centro Soziale 
bestehen 
							kleine Bezugsgruppen, die bestimmte Rollen in der Aktion der Tute
 
							Biaches üben und sich Gedanken zur Schutzkleidung machen. 
aus: http://www.sterneck.net/politik/tute-bianche-widerstand/index.php, 05.04.2010
Siehe auch: Eintrag "Tute Bianche" auf diesem Blog.

        
        
        
        